Worpswede: Vom Bauerndorf zur Künstlerkolonie
Mit dem Jahre 1218 beginnt die urkundlich nachweisbare Geschichte des Bauerndorfes Worpswede. Die ursprüngliche Ansiedlung am Nordhang des Weyerberges bestand aus acht Hofstellen.
Der Name Worpswede, der im Laufe der Zeit in veränderter Schreibweise erscheint, bedeutet „Hügel im Wald“ („Worp“ = Hügel und „Wede“ = Wald).
Der auf dem Weyerberg gelegene Ort blieb zu Beginn ein von menschenfeindlichen Mooren umgebener, abgeschiedener Siedlungsflecken. Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg übernahm der Landgraf Friedrich von Hessen-Eschwege für treu geleistete Dienste von der schwedischen Königen Christine das Kloster Osterholz mit den zugehörigen Gütern. Seine Absicht, auf dem Weyerberg, der eine Höhe von über 50 m erreicht, ein Lustschloss zu bauen, wurde nicht vollendet.
„De Slottschün“, auch als Scheune des Schlosses beschrieben, war bis zu ihrem Abbruch 1938 das älteste Gebäude von Worpswede. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden unter der Leitung des „Königlichen Moor-Commissars“ Jürgen Christian Findorff über 50 Moordörfer in dem zuvor unwegsamen Teufelsmoor erschlossen (der ursprüngliche Name „Davelsmoor“ bedeutet taubes, unfruchtbares oder unwegsames Moor).
Als 1759 auf dem Weyerberg die „Zionskirche“ eingeweiht wurde, war der erste Pastor der Gemeinde Worpswede Johann Friedrich Jacob Telge, dessen Enkel 1817 zunächst neben der Kirche einen „Kramladen“ gründete.
Der „zugeheiratete“ Carl Otto Ferdinand Stolte übernahm 1854 das Geschäft in der heutigen Findorffstraße. Ihm wurde dann 1868 das Amt des Worpsweder Ortsvorstehers übertragen. Eines der sechs Kinder, die Tochter Sophie Emilie Stolte lernte bei ihrer Tante in Düsseldorf den jungen Kunststudenten Fritz Mackensen kennen. „Mimi“ Stolte lud den 18jährigen Maler ein, in das damals noch unbekannte Dorf zu kommen. Am 13. September 1884 traf er in Worpswede ein.
Nach „eigener Zeitrechnung“ gilt das Gründungsjahr 1889 als Beginn der Künstlerkolonie Worpswede, denn damals beschlossen die Künstler Fritz Mackensen, Otto Modersohn und Hans am Ende fortan in dem Ort und in der Landschaft des Teufelsmoores zu bleiben.
Als 1895 die Werke der „Künstlervereinigung Worpswede“ in der Bremer Kunsthalle und anschließend im Münchener Glaspalast gezeigt wurden, bestand die Gruppe der sogenannten „Gründergeneration“ aus den fünf Künstlern: Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Hans am Ende, Fritz, Overbeck (ab 1892/93) und Heinrich Vogeler (ab 1894). Der legendäre Erfolg im Münchener Glaspalast entwickelte sich dann zum „Durchbruch“ für die Künstlerkolonie Worpswede.
In den folgenden Jahren wurden unzählige Künstler angeregt, nach Worpswede zu kommen. Und viele waren fasziniert von der einzigartigen Atmosphäre dieser Landschaft. Es entstand eine spannungsreiche Wechselbeziehung zwischen Menschen, Landschaft und Kunst. Trotz aller Wandlungen konnte sich bis heute der außergewöhnliche Zusammenklang von Natur und Kunst nachweisbar in vielem erhalten.
Das Phänomen des Künstlerdorfes umfasst in seiner über hundertjährigen Geschichte ein breites Spektrum schöpferischer Individuen: Maler, Zeichner, Grafiker, Bildhauer. Schriftsteller, Kunsthandwerker, Architekten, Gartenarchitekten, Fotografen, Designer. Sie alle haben mit ihren Werken den Namen „Worpswede“ in die Welt getragen. Auch heute wirken unzählige Künstler in dem Ort, so dass Worpswede als Stätte zeitnahen und lebendigen Kunstschaffens fortbestehen kann.
Autor: Dr. Helmut Stelljes
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